Wer war Heinrich Kolfhaus?


Foto: August Hufnagel
Foto: August Hufnagel

 

Kolfhaus, Heinrich

 * 27. 04. 1879 in Krefeld als Sohn des Kaufmanns Carl August Kolfhaus und seiner Frau Wilhelmine Catharina geb. Hellmann;

 † 30. 05. 1956 in Bonn. Pfarrer in Godesberg von 1913 bis 1949.

 

Heinrich Kolfhaus, langjähriger Godesberger Pfarrer in der von zwei Weltkriegen gezeichneten ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, stammte aus einem frommen niederrheinischen Elternhaus, in dem über die Bedeutung des christlichen Glaubens intensiv nachgedacht wurde. Von seinem Vater hat Kolfhaus einmal gesagt, dieser sei zwar Kaufmann, mehr noch aber Theologe gewesen.

Das Theologiestudium führte Heinrich Kolfhaus nach Erlangen, Halle, Bonn und Tübingen. Nach seinem Bericht waren seine wichtigsten akademischen Lehrer der noch heute weithin bekannte Martin Kähler in Halle und dessen Schüler Ernst Friedrich Karl Müller in Erlangen.

Kolfhaus war verheiratet mit der Charlottenburger Pastorentochter Else Deussen. Aus der Ehe ging eine Tochter hervor: Elsbeth Kolfhaus (1908-1994); sie war mit Oskar Börner (1905-1980) verheiratet, der zunächst Pfarrer in Werlau war und dann von 1936 bis zu seiner Emeritierung 1973 als Pfarrer in Bad Neuenahr gewirkt hat.

Von 1906 bis 1913 war Kolfhaus zunächst Pfarrer in Ratingen, dann trat er am 27. Juli 1913 die Godesberger Pfarrstelle an, der er bis zur Emeritierung (am 1. Oktober 1949) treu geblieben ist.

Damals gehörte die Evangelische Gemeinde Godesberg noch zu dem alten Kirchenkreis Bonn, von dem sich erst 1968 die Kirchenkreise Bad Godesberg und An Sieg und Rhein abtrennten. Die Godesberger Gemeinde, die seit ihrer Gründung im Jahre 1861 mächtig gewachsen war, zählte 1913 ca. 4.500 Gemeindeglieder und besaß zwei Pfarrstellen. Nach dem II. Weltkrieg stieg die Zahl der Gemeindeglieder durch den Zustrom der Flüchtlinge und Vertriebenen aus dem Osten so stark an, dass sie am Ende von Kolfhaus´ Dienstzeit bei fast 15.000 gelegen haben dürfte.

Am I. Weltkrieg hat Kolfhaus als Lazarett- und als Divisionspfarrer teilgenommen. In den Nachkriegsjahren stellten sich der Gemeinde erhebliche soziale Aufgaben. Während die von Julius Axenfeld begründeten und mit der Gemeinde vielfach verbundenen diakonischen Einrichtungen und evangelischen Schulen nicht in gemeindlicher Trägerschaft standen, übernahm die Kirchengemeinde 1926 mutig die Trägerschaft des Viktoria-Hospitals, als dieses 1887 als Kriegerdenkmal gestiftete Krankenhaus in der Inflationszeit nicht mehr aus eigenen Mitteln unterhalten werden konnte. An seinem Platz an der Beethovenallee steht heute das Johanniterhaus – Ev. Altenheim, während aus dem Krankenhaus als solchem das heutige evangelische Waldkrankenhaus hervorgegangen ist.

Heinrich Kolfhaus war schon dem Äußeren nach eine wuchtige Persönlichkeit. Er war ein lebenszugewandter Mensch mit gutem Humor und lebhafter Anteilnahme an den Lebens-wegen der ihm anvertrauten Menschen. Die Konfirmanden verehrten ihn und hielten ihm die Treue. Seine Predigten waren eindrücklich; schon seine kräftige Stimme verfehlte nicht eine eigene Wirkung. Und wenn Kolfhaus einen Bibeltext auch nur vorlas, konnte dies bereits, so wird erzählt, von den Hörern wie eine Predigt aufgenommen werden.

In der NS-Zeit war es wesentlich Heinrich Kolfhaus zu danken, dass sich die Gemeinde der Bekennenden Kirche angeschlossen hat. Die Größere Gemeindevertretung, die es damals noch als eine über das Presbyterium hinausgehende Repräsentanz der Gemeinde gab, und das Presbyterium hatten mehr als einmal Anlass, sich verteidigend vor ihren mutigen Pfarrer zu stellen.

Der im November 1934 seines Amtes als Bonner Theologieprofessor enthobene Karl Barth predigte am 9. Dezember 1934 unter großem Zulauf in der Godesberger Kirche, der heutigen Erlöserkirche, als ihm anderen Orts ängstlich die Kanzel verwehrt wurde. Kolfhaus war auch der Vorstandsvorsitzende des Evangelischen Vereins für Innere Mission in Bad Godesberg. In dem von diesem Verein getragenen, einst von Axenfeld begründeten, Godesheim konnten unter Leitung von Karl Barth und anderen Theologen der Bekennenden Kirche Seminare für den theologischen Nachwuchs abgehalten werden, aus denen die Kirchliche Hochschule Wuppertal hervorgegangen ist.

1938 übernahm Kolfhaus als sogenannter „Vertrauensmann“ die schwierige Leitungsaufgabe des „illegalen“ Superintendenten in der großen Bekenntnissynode Bonn. Sein Bruder Wilhelm Kolfhaus (1870-1954), ebenfalls Theologe, gehörte durch seine Mitwirkung in der Leitung des Reformierten Bundes und durch seine schriftstellerische Arbeit (vor allem seine Aufsätze in der Reformierten Kirchenzeitung) zu den in der Öffentlichkeit besonders wahrgenommenen Vertretern der Bekennenden Kirche.

Heinrich Kolfhaus hat bis in sein 70. Lebensjahr hinein den Pfarrdienst in seiner großen Gemeinde wahrgenommen. Die letzten Dienstjahre standen im Zeichen von Krankheiten, die ihm die Arbeit schwer machten. Am 30. Mai 1956 ist er gestorben.

Die Erinnerung an Heinrich Kolfhaus und seine mutige Haltung in der Hitlerzeit gehört zu dem besonderen und kostbaren Erbe der evangelischen Gemeinden in Godesberg.

1996 hat der Evangelische Verein für Diakonie (früher: für Innere Mission) auf Anregung seines Vorstandsmitglieds Konrad Risch seinem neu errichteten Altersheim auf der Godeshöhe den Namen Seniorenzentrum Heinrich Kolfhaus gegeben, um an das Wirken dieses Pfarrers zu erinnern. Konrad Risch hatte (1994) seine Anregung mit folgenden Worten erläutert:

"Im Kampf der Bekennenden Kirche war Heinrich Kolfhaus von Anfang an ein aufrechter und unerschrockener Verfechter wahren evangelischen Glaubens. In seinen Gottesdiensten saßen häufig Spitzel der Gestapo und überwachten seine Predigten nach etwaigen Verstößen gegen die Partei und ihr Gedankengut. So heißt es z.B. in einer Spitzelmeldung, 'der berüchtigte Pfarrer Heinrich Kolfhaus habe in seiner Karfreitagspredigt 1935 trotz Verbots die Namen der im Konzentrationslager verschwundenen Pfarrer verlesen, anstatt im Gebet des Führers und seines Geburtstages zu gedenken'. Trotz ständiger Schwierigkeiten mit der NSDAP und Überwachung durch die Gestapo ließ sich Heinrich Kolfhaus nicht beirren und blieb standhaft. Auch bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben als Vereinsvorsitzender hatte er mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Der nationalsozialistische Staat setzte alles daran, Einrichtungen der Kirche und der Inneren Mission unter seine Aufsicht zu stellen, vor allem die Erziehung der Jugend. Die nationalsozialistische Volkswohlfahrt baute eigene Internate auf, um den konfessionellen Einrichtungen die Jugend zu entziehen. So ist es nicht zuletzt dem unerschrockenen Eintreten von Heinrich Kolfhaus zu verdanken, daß das Godesheim bis zum Ende des sog. Dritten Reiches nicht geschlossen und aufgegeben werden mußte“.

Als das Haus am 5. Dezember 1996 seiner Bestimmung übergeben wurde, war auch – zusammen mit seiner Frau – ein Neffe Heinrich Kolfhaus´ zugegen: Helmut Kolfhaus (1913-2001), der 1954 nach Godesberg gekommen und hier bis 1960 als Pfarrer an der neu errichteten Christuskirche gewirkt hatte.

Auch die Zivilgemeinde pflegte und pflegt die Erinnerung an Heinrich Kolfhaus. 1952 hat die (damals noch selbständige) Stadt Bad Godesberg Kolfhaus wegen seiner tapferen Haltung gegenüber dem nationalsozialistischen Staat zum Ehrenbürger ernannt. Sein Grab auf dem Zentralfriedhof an der Gotenstraße ist noch heute ein Ehrengrab der Stadt Bonn.

1978 wurde (vor Kolfhaus´ 100. Geburtstag) in Godesberg die frühere Wilhelmstraße in Kolfhausstraße umbenannt. Und später (2001) ist auf Anregung von Pfarrer i. R. Hans Joachim Quistorp und auf eine entsprechende Bitte des Kirchenkreises Bad Godesberg-Voreifel hin am Straßenschild eine die Namengebung erläuternde Tafel angebracht worden.

Als die Erlöser-Kirchengemeinde am 30. Mai 2006 zu Kolfhaus´ 50. Todestag eine Andacht an seinem Grab hielt, hat die Bad Godesberger Bezirksbürgermeisterin an ihr teilgenommen und auch auf diese Weise daran erinnert, dass dem Wirken dieses Pfarrers über das kirchliche Leben hinaus öffentliche Dankbarkeit gebührt.

 

Pfr.i.R. Dr. Stephan Bitter

(21.04.2012)